(English below)
Morgens um acht höre ich Vögel vor dem Fenster, das ich nicht öffne, oder nur kurz, weil es zu kalt ist, 30 Grad Fahrenheit, also 0 Grad Celsius hat, und wenn der Wind bläst, über diese Prärie, dann fühlt sich das an wie kanadischer Winter. Zumindest stelle ich mir den Winter eine Stunde nördlich von hier so vor.
Die Umrechnung auf Fahrenheit schaffe ich nicht, sage also: unter 30, wenn ich kalt meine.
Ohio ist flach, hier. Blassgrüne Wiesen, Äcker, Freeways.
Das meiste davon habe ich nicht gesehen, weil es Nacht war, als ich ankam.
Aber ich habe sofort bemerkt, dass es hier viele alte Bäume gibt – welche, muss ich erst herausfinden. Es gibt achtzigjährige Eichen, und an vielen Stellen junge Pflanzen, sorgfältig in die Erde gesetzt, auch an den unscheinbarsten Ecken. Die Häuser haben keine Gärten sondern Wiesen bis an den Gehweg. Pausbäckige haselnussbraune Eichhörnchen zittern mit ihren Puschelschwänzen im Geäst, wenn ich stehen bleibe. Rote Beeren in einem mir unbekannten Dickicht, Dutzende, ein Leuchten in der farblosen Januarlandschaft. Man sieht den Menschen ins Wohnzimmer, sieht öfter blaue und violette Neonlichter als nicht, sieht verlassene Schaukelstühle vor den Türen dieser Puppenhäuser. Weil sie so klein sind.
No Outlet steht an den Straßen, die von meiner abgehen, das heißt, dort gibt es kein Weiterkommen. Immer wieder sind Kirchenglocken zu hören, aber nur um elf und um zwölf und um eins. Vielleicht höre auch nur ich sie um elf und um zwölf und um eins. Es gibt verschiedene Kirchen hier, ich habe bereits aufgegeben, mir ihre Namen zu merken.
Die Stadt ist am Reißbrett angelegt, verläuft in geraden Bahnen.
Spaziere ich zur Main Street, lande ich fast punktgenau im Kaffeehaus. Das kein Kaffeehaus im Wiener Sinne ist, sondern ein Ort mit fantastisch vielen Büchern, freundlichen jungen Menschen hinter der Theke, bunten Merchandise T-Shirts und hellen hölzernen Tischen, an denen man nähen, Schach spielen, lesen, sich unterhalten kann.
Auch ohne ein Getränk zu bestellen.
Ich öffne den Rollladen meines Schlafzimmers nicht, weil der Blick auf einen Parkplatz fällt, drei, vier Fahrzeuge – Pick Up Trucks, Limousinen – auf eine gelbe McDonalds-Leuchtreklame, Straßenlaternen, eine vierspurige Straße.
Es ist nicht so trist, wie es klingt.
Es ist einfach amerikanisch.
Straßen, die für Fahrzeuge gebaut werden. Restaurants, die schnell besucht sind. Essen, das keines ist.
Die Vögel vor meinem Fenster sitzen eigentlich über meinem Fenster, auf einer der zahlreichen Stromleitungen. Die Strommasten hier ähneln den Bäumen, haben elaborierte Äste, ich frage mich, wer so viel Strom braucht. In unserer Wohnung kommt das Licht aus Stehlampen, nicht von der Decke. Der Strom aus zwei schmalen Schlitzen, die Heizung ist eine Schnecke an der Decke, die alle zehn Minuten brummt und bläst und mich wärmt. Die Häuser hier sind aus Holz gebaut, sagt Valerie, die andere Österreicherin, dank ihr habe ich einen Ort zum Wohnen.
Vielleicht sind es Spatzen, vielleicht Rote Kardinale.
In Gruppen fliegen sie von Gebüsch zu Baum, zu den woods, denn Wald nennt man die Forste hier nicht. Ich kenne ihr Zwitschern nicht, aber es macht mich fröhlich. Augenblicklich.
***
At eight in the morning I hear birds outside the window, which I don’t open, or only briefly, because it’s too cold, 30 Fahrenheit, which means 0 degrees Celsius, and when the wind blows, across this prairie, it feels like Canadian winter. At least that’s how I imagine winter an hour north of here.
I can’t manage the conversion to Fahrenheit, so I say below 30 when I mean cold.
Ohio is flat, here. Pale green meadows, fields, freeways.
I didn’t see most of it because it was night when I arrived.
But I noticed right away that there are a lot of old trees here – which ones, I have yet to find out. Plenty of eighty-year-old oaks, and in many places young ones, carefully planted in the ground, even in the most unremarkable corners. The houses have no gardens but meadows up to the pavement. Chubby hazel colored squirrels tremble with their fluffy tails in the branches when I stop to look at them. Red berries in a thicket, dozens of them, a glow in this colorless January landscape. I look into people’s living rooms without intending to, see blue and purple neon lights more often than not, abandoned rocking chairs outside the doors of these doll houses. Because they are so small.
No Outlet is written on the streets leading off mine, which means there is no getting on there. Church bells can be heard again and again, but only at eleven and at twelve and at one. Maybe it’s only me who hears them at eleven and at twelve and at one.
There are several churches here, I have already given up trying to remember their names.
The town is laid out on a drawing board, runs in straight lines.
When I walk to Main Street, I end up almost exactly at the coffee house. Which, speaking in Viennese terms, is not a coffee house, but a place with a fantastic number of books, friendly young people behind the counter, colorful merchandise T-shirts and light wooden tables where you can sew, play chess, read, talk.
Even without ordering a drink.
I don’t open the shutter because the view from my window is that of a car park, three, four vehicles – pick-up trucks, limousines – a yellow McDonalds sign, street lights, a four-lane road.
It’s not as dreary as it sounds.
It’s just American.
Streets built for vehicles. Restaurants that are fast-casual. Food that isn’t food.
The birds outside my window are actually sitting above my window, on one of the numerous power lines. The electricity poles here resemble trees, have elaborate branches, I wonder who needs so much electricity. In our apartment, the light comes from floor lamps, not from the ceiling. The electricity from two narrow slits, the heating is a snail on the ceiling that hums and blows every ten minutes and warms me.
The houses here are made of wood, says Valerie, the other Austrian, thanks to her I have a place to live.
Maybe they are sparrows, maybe red cardinals. They fly in groups from bush to tree, to the woods, because the forests are not woods here. I don’t know their twittering, but it makes me happy. Instantly.
© Marianne Jungmaier, Ohio, 2023
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